Ruderalfläche auf dem Schulhof? Ja, klar!

Ruderalfläche auf dem Schulhof? Ja, klar!

Wild wuchernd im Frühling und Sommer, kahl und von Spinnweben dominiert im Spätherbst: So präsentieren sich die beiden Ruderalflächen im Innenhof der KSK. Was für manche wie sträflich vernachlässigte Pflege des Areals erscheinen mag, ist ökologisch äusserst wertvolle Absicht. Lesen Sie nach, wieso.

Im Frühjahr blüht die Ruderalfläche auf. Etwa Salbei und Wundklee wachsen hier. (Corina Tobler)

Annika Jäger

Was in der Natur an Flussufern, Abhängen oder Schutthaufen zu finden ist, steht gleich doppelt mitten auf dem Schulhof der Kantonsschule Kreuzlingen. Aber warum? Hier wurde kein Bauschutt abgeladen, keine Baugrube wurde vergessen. Nein, diese steinigen und sandigen Böden wurden mit dem Bau des C- Gebäudes 1998 extra hier angelegt. Eine Ruderalfläche bietet nämlich viele ökologische Vorteile und gibt Einblick in eine Pflanzengesellschaft, die auf Rasen oder Wiesen nicht zu finden ist. Somit bereichern die Ruderalfächen die Böden im Innenhof, auf denen überall unterschiedliche Pflanzen und somit auch Insekten beobachtet werden können.

Blick von der Ruderalfläche vor dem C-Gebäude Richtung zentrale Fläche. (Annika Jäger)

Pflanzen ändern im Jahresverlauf

Ruderalflächen sind in der Natur ständig im Wandel. Das Flussufer wird alle paar Jahre neu überschwemmt und reisst die vorhandene Vegetation mit sich. So siedeln sich hier vor allem lichtliebende, schnell wachsende Blütenpflanzen an. Darunter finden sich Pflanzen, die viele Blüten bilden und das nicht nur im Frühling. Eine Ruderalfläche wird von Pflanzen besiedelt, die einander im jahreszeitlichen Verlauf ablösen. Sind die Blüten von Leimkraut, Kartäusernelke oder Wiesensalbei verblüht, so fangen Pflanzen wie die wilde Möhre, Karde, Dost oder der Natternkopf an zu wachsen und blühen. Pflanzen wie der Hornklee oder die Dornige Hauhechel können sogar von Frühjahr bis in den Herbst hinein von Insekten angeflogen werden. So bietet eine Ruderalfläche die gesamte Vegetationsperiode über Pollen und Nektar. Davon profitieren nicht nur Insekten. Für uns gibt es immer bunte Blüten zwischen dem Grün zu betrachten.

Zu viele Nährstoffe schaden hier

Doch der Schulhof wird nicht alle paar Jahre neu mit Sand und Steinen überschüttet. Deshalb verursachen künstlich angelegte Ruderalflächen ziemlich viel Arbeit. Denn hier fallen die Blätter, die von Pflanzen aufgebaut werden, zu Boden. Bodenorganismen wie Würmer, Pilze oder Bakterien verarbeiten diese zu Humus und somit wird der sandige Boden mit Nährstoffen angereichert. Was in der Landwirtschaft sehr wertvoll ist, verändert die Ruderalfäche. Mehr Nährstoffe im Boden bedeuten, dass sich andere Pflanzen ansiedeln können. Vor allem Gras würde die Blütenpracht verdrängen. So wird im Schulhof darauf geachtet, dass ein Teil der Nährstoffe im Frühjahr abgetragen wird. Die Samenstände der Pflanzen bleiben den Winter über auf den Flächen stehen. So wird sichergestellt, dass genügend Samen fürs nächste Jahr auf den Boden fallen oder auf die nähere Umgebung weitergetragen werden. Der Anblick der Ruderalfläche im Winter erfreut aber vor allem Vögel, die sich von den Samen ernähren können. Im März können jedes Jahr Stieglitze an den Samenständen der Karde beobachtet werden. Sobald es wärmer wird, muss die Ruderalfäche aber von Hand geschnitten werden.

Im Herbst haben Ruderalflächen eine mystische Seite. (Corina Tobler)

Neophyten müssen weg

Mit den Jahren hat sich auf dem Schulhof eine schöne Mischung von Blütenpflanzen und seltenen Gräsern entwickelt, die aber nicht nur vor zu vielen Nährstoffen geschützt werden muss. Wie in natürlichen Ruderalflächen keimen auch hier mit der Zeit Bäume, die auf dem Schulhof wieder entfernt werden. Auch invasive Neophyten machen vor den Flächen nicht Halt. So wird immer wieder kontrolliert, ob sich zum Beispiel das Berufkraut oder die Nachtkerze angesiedelt haben. Die Entfernung der Pflanzen kann aufwendig werden. 

Trotz allem überwiegt der Nutzen dieser künstlich angelegten Ruderalflächen: Die Schönheit der Blüten und Wichtigkeit für Wildbienen sind nicht zu übersehen. Darum wurden die Flächen mit einem Totholzzaun und einem Insektenhaus erweitert. Somit bieten sie nicht nur Nahrung, sondern auch Unterschlupf für Tiere.

Für Wildbienen ist die Ruderalfläche enorm wichtig. (Corina Tobler)

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